Gedanken einer Arztfrau
Die „goldenen“ Jahre haben wir nicht mehr erlebt, aber einen Abglanz davon, als mein Mann sich 1985 als Dermatologe niedergelassen hat und ich beschlossen habe, mit ihm zusammen zu arbeiten.
Das war alles so einfach: wir durften alle erbrachten Leistungen abrechnen; wir haben Lichttherapie, Allergietests und vieles mehr durchgeführt und damit unseren Patienten geholfen (und wurden dafür adäquat bezahlt; kann sich der eine oder andere noch daran erinnern?).
Wie gesagt, gute Zeiten, oder vielleicht einen Abglanz davon….
Dann wurde es hart: plötzlich waren wir die Abzocker, die Betrüger, die falls es zu Wartezeiten in der Praxis kam, sowieso „nur im Keller waren, um unser Geld zu zählen“.
Natürlich gab es (wenige) schwarze Schafe, die auch zu Recht angeklagt und verurteilt wurden, aber wir, die wir 60 Stunden und mehr pro Woche gearbeitet haben (immer korrekt im Sinne unsere Patienten), mussten die Zeche mit zahlen; man hat uns beneidet, gehasst und uns jedes Auto, jeden Urlaub, und, und, und, missgönnt.
Ein Fußballspieler, der vielleicht seinen Namen schreiben kann, ist ein Held,; darf Millionen verdienen; wir nicht.
Ein Politiker, dessen Namen ich nicht nennen will, hat die niedergelassenen Ärzte nachweislich als „Ratten“ bezeichnet. Dazu fällt mir wenig ein.
Dann kam die Presse: Objektivität sieht anders aus: gerne und oft wurden in den Printmedien die Einkünfte der Ärzte publiziert; allerdings die Ausgaben: (Lohnkosten, Miete etc.) nie berücksichtigt oder dargestellt.
Dann kam wieder der Neidfaktor. Ein Arbeitnehmer sieht seine Lohnabrechnung und wird nie verstehen, welche Unkosten und Verpflichtungen finanzieller und menschlicher Art wir haben.
Ja, wir sind die „Ratten“.
Dann kam die Bundesministerin Ulla Schmidt und deren toller Gdanke, uns zu budgetieren.
Wozu sollte ein Arzt oder seine Mitarbeiter*innen Geld bekommen für erbrachte Leisungen?
Ist doch alles in der Grundpauschale enthalten… 17,50 € pro Quartal sind das momentan in unserem KV Bereich (dafür würde ein Handwerker noch nicht einmal in sein Auto steigen).
Jetzt nach fast 38 Jahren sind wir (fast) am Ende unserer Berufstätigkeit. Wir arbeiten immer noch gerne, auch wenn de Bedingungen noch schwieriger geworden sind.
Stichwort: Telematik; eine Technik, die voller Fehler war, wurde uns aufoktroyiert (mit der Androhung von Honorarkürzungen).
Ich habe viel Zeit und Geld aufwenden müssen, um diese Technik zum laufen zu bringen.
Viele ältere Kollegen und Kolleginnen meines Mannes haben auch aus diesem Grund ihre Praxen ohne Nachfolger geschlossen.
Ich will mich nicht beklagen; es geht uns gut; wir haben, da wir Idealisten sind und daneben interessante Hobbies haben, ein schönes und erfülltes Arbeitsleben (gehabt).
Was ich mit meinen Gedanken erreichen will: eines der reichsten Länder der Welt, macht einen Berufsstand, der für jeden existenziell wichtig ist, systematisch kaputt.
Der Ärztemangel ist jetzt schon eklatant und wird sich weiter verschärfen.
Armes Deutschland
Elisabeth(Sissi) Seiler